KMU-Definition Gefahr, dass Großkonzerne KMU-Förderungen abgreifen

Die EU-Kommission arbeitet an einer neuen Definition für kleine und mittlere Betriebe. Das Handwerk pocht darauf, dass die Schwellenwerte unverändert bleiben. Mögliche Gefahren: Große Firmen könnten gezielt Unternehmensstrukturen schaffen, um unter die KMU-Definition zu fallen.

Jana Tashina Wörrle

Wer gilt als KMU? Nur die Firmen selbst oder auch die Tochter- und Partnerfirmen von großen Unternehmen? Die KMU-Definition steht in der Diskussion? - © Jakub Jirsák - stock.adobe.com

Der Begriff der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) fällt meistens dann, wenn es um Gebühren und Abgaben geht, die für Unternehmen anfallen, und um Pflichten, die sie erfüllen müssen. Darüber hinaus ist der Begriff relevant, wenn entsprechende Ermäßigungen und Ausnahmen greifen, sobald ein Unternehmen unter die KMU-Definition fällt. Zudem geht es um Fördergelder, die in einigen Fällen speziell auf KMU zugeschnitten sind und nur von ihnen beantragt werden können. Die Definition gilt EU-weit und wird turnusmäßig überprüft. Die jüngste Überprüfung startete 2017 und dauert bis jetzt an.

EU-Gericht entscheidet zur KMU-Definition

Das Gericht der Europäischen Union musste im Jahr 2016 in zwei Fällen entscheiden, in denen es auch um die Gültigkeit der KMU-Definition ging (Urteil Chimica T-675/13 sowie Urteil Crosfield T-587/14). In beiden Entscheidungen wurde die Komplexität der KMU-Definition im Hinblick auf verbundene und Partner-Unternehmen bei hochverschachtelten Beteiligungsverhältnissen deutlich. Nicht zuletzt deswegen ist eine neuerliche Debatte darüber entstanden, ob die Definition überarbeitet werden sollte. Sie gilt bereits seit dem Jahr 2003 und regelt vorrangig über die Mitarbeiterzahl sowie über die finanziellen Schwellenwerte von Umsatz und Bilanzsumme, wer als KMU gilt.

Was jedoch für verbundene Unternehmen und Partnerunternehmer von großen Konzernen gilt, auch wenn diese selbst eigentlich unterhalb der Schwellen liegen, wirft derzeit Zweifel auf. Wie eigenständig müssen sie sein, um als KMU anerkannt zu werden und von den besonderen Privilegien profitieren zu können?

Die aktuelle KMU-Definition und ihre Schwellenwerte

Die europäische KMU-Definition ist in der Empfehlung 2003/361/EC geregelt.

Erfasst werden drei Kategorien von Unternehmen:

  • Kleinstunternehmen: < 10 Mitarbeiter und = € 2 Mio. Jahresumsatz oder = € 2 Mio. Bilanzsumme
  • Kleinunternehmen: < 50 Mitarbeiter und = € 10 Mio. Jahresumsatz oder = € 10 Mio. Bilanzsumme
  • Mittlere Unternehmen: < 250 Mitarbeiter und = € 50 Mio. Jahresumsatz oder = € 43 Mio. Bilanzsumme.
 Quelle: ZDH

Außerdem ist die Produktivität der Betriebe gestiegen und auch die Inflation fordert eine finanzielle Angleichung. So sehen Vertreter der Industrie eine Notwendigkeit darin, dass die KMU-Definition bzw. die darin festgelegten Schwellenwerte ausgeweitet wird und eindeutig geklärt wird, für welche Form von Unternehmen die Definition überhaupt wirksam wird.

KMU-Definition: Mögliche Ausweitung in der Kritik

99,8 Prozent der europäischen Unternehmen fallen unter die KMU-Definition. Daher sieht das deutsche Handwerk das, was in Brüssel gerade verhandelt wird, eher kritisch bzw. sieht keinen Bedarf an einer neuen KMU-Definition. "Auch wenn die Produktivität stark gestiegen ist, sind die Schwellenwerte für unsere Betriebe noch immer weit entfernt, und es gibt keinen Anlass sie noch weiter auszudehnen", sagt Elisabeth Häringer, Referatsleiterin der Abteilung Europapolitik beim Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) in Brüssel. Ansätze sieht sie von Seiten der EU-Kommission dabei nur in Betracht auf die finanziellen Schwellenwerte, also die Umsatzgröße und die Bilanzsumme, zu denen es neue Festlegungen geben könnte. "Die Mitarbeiterzahl wird wohl nicht angetastet bzw. wenn es der Fall sein sollte, dann könnte es eine ganz neue separate Definition von mittleren Unternehmen geben, aber klassische KMU werden wohl weiterhin laut Definition bis zu 250 Mitarbeiter haben", erklärt die EU-Expertin.

Anders als die Industrie, die selbstredend gerne möchte, dass mehr ihrer Unternehmen unter die KMU-Definition fallen, möchte das Handwerk die aktuellen Festlegungen nicht weiter aufweichen – vor allem nicht für verbundene Unternehmen oder Partnerunternehmen. Derartig komplexe Strukturen gibt es im Handwerk und bei reinen KMU so gut wie nicht.

Was genau sind "verbundene Unternehmen" und "Partnerunternehmen"?

Als "verbundene Unternehmen" gelten die Betriebe ab einer Beteiligung von anderen ab 50 Prozent. Als "Partnerunternehmen" die Betriebe ab einer Beteiligung ab 25 Prozent.

Derzeit ist es so, dass die Mitarbeiterzahl und der Umsatz bei verbundenen Unternehmen ganz und bei Partnerunternehmen anteilig bei der Berechnung der Schwellenwerte miteingerechnet werden. So können diese nur in ganz bestimmten Fällen unter die KMU-Definition fallen. Nun wird jedoch befürchtet, dass eine Änderung hierbei dazu führen könnte, dass gezielt Unternehmensstrukturen eigens dafür geschaffen werden, um unter die KMU-Definition zu fallen. So könnten Tochterunternehmen gegründet werden, die dann die Erleichterungen der KMU in Anspruch nehmen können.

Die Zielstellung der EU-Kommission, im Rahmen einer Überarbeitung der KMU-Definition Regelungslücken und Umgehungsmöglichkeiten zu schließen, findet die Zustimmung des Handwerks. Keinesfalls darf eine diesen Bereich berührende Modifizierung der KMU-Definition zu einer Ausweitung der hierunter fallenden Unternehmen führen.

Die EU-Kommission will bis Ende der Legislaturperiode – also bis Mai 2019 – einen Bericht vorlegen mit Empfehlungen für eine neue KMU-Definition . Am 16. Mai 2018 hat das Europäische Parlament bzw. der zuständige Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie einen Entschließungsantrag dafür angenommen: Darin wird eine klare und angemessenen KMU-Definition gefordert. Das Plenum des Europäischen Parlaments hat diesen Entschließungsantrag am 4. Juli ebenfalls verabschiedet.